Hemmen Psoriasis-Medikamente das Coronavirus?

"Entzündungshemmende Medikamente schützen vor COVID-19" – unter dieser Überschrift wurde vor ein paar Tagen eine Pressemeldung der Universitätsklinik Erlangen veröffentlicht. Das hat viele Menschen mit Psoriasis und Psoriasis-Arthritis verunsichert. Die Fragen, die die Geschäftsstelle des Deutschen Psoriasis Bundes e.V. (DPB) und auch viele Kontaktpersonen und Regionalgruppenleitungen des DPB daraufhin erreichten, lauteten: "Heißt das jetzt, dass ich vor dem Coronavirus geschützt bin, weil ich mit einem Biologikum behandelt werde?", "Gilt das auch für MTX?", "Gehöre ich zur Risikogruppe, wenn ich Psoriasis habe und nicht mit einem Biologikum behandelt werde?", "Ich habe Psoriasis und möchte jetzt auch ein Biologikum verschrieben bekommen – was muss ich tun?"

Zu der Forschergruppe in Erlangen gehört auch der stellvertretende Direktor der Universitätshautklinik Erlangen und Leiter des dortigen Psoriasis-Zentrums, Prof. Dr. Michael Sticherling. Er ist zudem Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des DPB. Er war überrascht darüber, welch großen Wirbel die Presseveröffentlichung ausgelöst hat. "Sie ist deutlich überinterpretiert worden", sagt der Dermatologe.

Die Ausgangslage

Zu Beginn der Corona-Pandemie stellte sich schnell die Frage, ob Personen mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen, die ein immunmodulierendes Medikament erhalten, zur Risikogruppe gehören. Die Sorge war, dass die Immunabwehr durch die Therapie geschwächter sein könnte und sich das neuartige Coronavirus deshalb leichter im Körper verbreiten würde. Zu den chronisch-entzündlichen Erkrankungen zählen Psoriasis, Psoriasis-Arthritis, weitere rheumatische Erkrankungen und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Mittelschwere und schwere Formen werden mit Medikamenten behandelt, die in das Immunsystem eingreifen. Sie hemmen dort bestimmte Botenstoffe (Zytokine), die an der Entstehung der Entzündung beteiligt sind.

Die Studie

Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus der Rheumatologie, der Inneren Medizin/Gastroenterologie und der Hautklinik im Uni-Klinikum Erlangen hat innerhalb von drei Wochen knapp 1.000 Personen auf Antikörper gegen das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) untersucht.

Unter den Testpersonen waren Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen, die Zytokin-Hemmer einnehmen, sowie Kontrollpersonen, die zu einem Teil aus dem medizinischen und zum anderen Teil aus dem nicht-medizinischen Bereich stammen. Das Ergebnis: Während ca. vier Prozent der medizinisch tätigen und zwei Prozent der nicht medizinisch tätigen Kontrollpersonen Antikörper gegen das neuartige Coronavirus aufwiesen, hatten keine der an Rheuma, Darmentzündung oder Schuppenflechte erkrankten Patientinnen und Patienten Antikörper gegen das neuartige Coronavirus im Blut.

Die Interpretation

"Es scheint, dass die Zytokin-Hemmer die Infektion mit SARS-CoV-2-Viren von Anfang an einschränken, sodass keine Antikörper gebildet werden." So wird Prof. Dr. Georg Schett, Direktor der Klinik für Rheumatologie und Immunologie des Uni-Klinikums Erlangen, in der Pressemitteilung zitiert. Erwiesen ist, dass COVID-19 eine überschießende Immunreaktion auslöst, die zu einer Entzündung der Lungenbläschen führt. Das wiederum stört den Gasaustausch in der Lunge. Diese Entzündungsreaktion wird durch Zytokine ausgelöst, die von den Lungen- und Immunzellen produziert werden. Mehrere dieser Botenstoffe – wie Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-alpha), Interleukin-6 und Interleukin-1 – spielen auch bei Erkrankungen wie Rheuma, Darmentzündungen sowie Schuppenflechte eine wesentliche Rolle. Deren Hemmung könnte also das Krankheitsbild von COVID-19 abschwächen und damit auch die Bildung von Antikörpern beeinflussen.

Prof. Sticherling warnt jedoch vor einer Überinterpretation, wenn daraus gefolgert wird, dass Menschen unter zytokin-hemmenden Medikamenten sicher geschützt seien und die Hygienemaßnahmen vernachlässigen könnten oder gar die untersuchten Medikamente vorbeugend genommen werden sollten. Die Ergebnisse beruhigen jedoch insofern, als Menschen unter dieser Therapie offensichtlich nicht vermehrt erkrankt sind. Außerdem ist aktuell nicht klar, ob Antikörper im Blut gegen Corona tatsächlich schützen, und wenn ja, wie lange. "Wir bewegen uns insgesamt mit vielen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen auf einem sehr weichen Grund", sagt Prof. Sticherling. Es ist jedoch die Aufgabe der Wissenschaft, neue Erkenntnisse zu gewinnen, gerade in der aktuellen Corona-Krise müssen diese aber vorsichtig und kritisch in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Für Prof. Sticherling kommt noch eine weitere Interpretation des Studienergebnisses infrage. Die Probandenzahl war recht gering. Von den knapp 1.000 untersuchten Personen gehörten 248 der Patientengruppe an. Davon hatten 132 eine Rheumaerkrankung, 59 eine Darmerkrankung und 21 eine Psoriasis, 38 Patienten hatten andere chronisch-entzündliche Erkrankungen. Weil seit Beginn der Corona-Pandemie Personen mit immunmodulierenden Medikamenten zur Vorsicht geraten wurde, waren vermutlich gerade diese Patientengruppen und damit auch die in diese Studie eingeschlossenen Patientinnen und Patienten besonders vorsichtig gewesen.

Was bedeutet das für Menschen mit Psoriasis?

"Entsprechend der Ausgangsfrage können Menschen, die stabil auf eine Therapie mit zytokin-hemmenden Medikamenten eingestellt sind, diese beruhigt weiterführen", sagt Prof. Sticherling. Vielleicht sind sie sogar besser geschützt, falls sich die Interpretation der Studienergebnisse bestätigen sollte. Aber dafür müssen erst noch weitere Studien folgen.

Das bedeutet für Menschen unter der Therapie mit zytokin-hemmenden Medikamenten, dass sie sich nach wie vor schützen und die Hygiene- und Abstandsvorschriften genauso ernst nehmen müssen wie gesunde Personen.

Zu den zytokin-hemmenden Medikamenten, die explizit in dieser Studie untersucht wurden, gehören Biologika und Biosimilars mit der Hemmung von TNF-alpha, Interleukin-17 oder Interleukin-23, aber auch die sogenannten Januskinase-Inhibitoren. Zu Methotrexat (MTX) kann der Experte keine Angaben machen, da es in dieser Studie nicht untersucht wurde. Stabil eingestellte Patientinnen und Patienten können wohl auch bei dieser Therapie verbleiben. Wer jedoch mit dem Wirkstoff Rituximab (hemmt die Antikörperproduktion) oder Ciclosporin (beeinflusst potenziell die Virusabwehr) behandelt wird, sollte nach Empfehlung von Prof. Sticherling die behandelnde Hautärztin bzw. den behandelnden Hautarzt aufsuchen und mögliche alternative Therapieoptionen während der Corona-Pandemie besprechen.

Psoriasis-Patientinnen und -Patienten, die äußerlich mit Cremes, Salben oder Sprays behandelt werden, brauchen sich laut Prof. Sticherling ebenfalls keine zusätzlichen Sorgen wegen der Ansteckungsgefahr mit dem neuartigen Coronavirus zu machen. "Bei der Psoriasis handelt es sich um eine überschießende Immunreaktion, nicht um eine hemmende", sagt der Dermatologe. So würden Patientinnen und Patienten mit Psoriasis nicht übermäßig häufiger zu Virusinfektionen neigen als gesunde Personen. "Auch hier reicht es, wenn sich alle an die empfohlenen Corona-Hygiene- und -Abstandsregeln konsequent halten."

Den Link zur Pressemitteilung der Uni-Klinik Erlangen finden Sie hier:

https://www.uk-erlangen.de/presse/pressemitteilungen/ansicht/detail/entzuendungshemmende-medikamente-schuetzen-vor-covid-19/

Empfehlungen für Patientinnen und Patienten mit Psoriasis und Psoriasis-Arthritis von einer Arbeitsgruppe aus den Beiräten des Deutschen Psoriasis Bundes e.V. (DPB), des Psoriasis-Ärzte-Netzwerkes "PsoNet" und des deutschen Psoriasis-Registers "PsoBest" finden Sie hier:

https://www.psoriasis-bund.de/aktuelles/meldungen/meldungen-im-detail/news/coronavirus-aktuelle-informationen-und-empfehlungen-der-psoriasis-experten/

 

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