Impfen gegen das Coronavirus bei Psoriasis
Insgesamt basiert das Impfen auf dem Grundprinzip, dem Immunsystem Teile eines Virus oder Bakteriums zu präsentieren, so dass der Körper eine Immunität gegenüber dem Erreger aufbauen kann. Dabei wurden bisher zwei Arten von Impfstoffen unterschieden: Totimpfstoffe und Lebendimpfstoffe. Mit den Corona-Impfstoffen kommt eine neue, dritte Gruppe dazu: die Gen-Impfstoffe.
Totimpfstoffe
Totimpfstoffe enthalten vollständige, aber inaktivierte oder abgetötete Viren oder Bakterien oder Bestandteile von ihnen oder abgeschwächte Giftstoffe von Bakterien, die sich alle im Körper nicht mehr weiter vermehren oder wesentlichen Schaden anrichten können. Beispiele für Totimpfstoffe sind solche gegen Grippe (Influenza), Cholera, Beulenpest, Hepatitis A oder Hepatitis B. Ein optimaler Immunschutz durch Totimpfstoffe benötigt in der Regel mehrere Injektionen in einer Grundimmunisierung, hält meist nur einige Jahre an und muss daher gegebenenfalls in Abständen aufgefrischt werden.
Lebendimpfstoffe
Ein Lebendimpfstoff besteht im Gegensatz zum Totimpfstoff aus minimalen Mengen vermehrungsfähiger Erreger, denen die krank machenden Eigenschaften abgezüchtet wurden. Fachleute bezeichnen sie als "attenuierte" Erreger. Die Keime können sich zwar noch vermehren, aber die Krankheit selbst nicht mehr auslösen. Attenuierte Viren gehen mit dem geringen Restrisiko einher, dass die Impfung in seltenen Fällen ähnliche Beschwerden wie die Krankheit selbst hervorruft. Doch die Symptome fallen meist sehr schwach aus und dauern nur wenige Tage an. Lebendimpfstoffe werden eingesetzt gegen Masern, Mumps, Röteln (MMR), Varizellen, Gelbfieber sowie gegen Typhus und Cholera. Sie bewirken meist einen lebenslangen Impfschutz.
Genbasierte Impfstoffe
Bei Lebend- und Totimpfstoffen werden dem Körper die abgeschwächten oder abgetöteten Erreger oder Erregerantigene zugeführt. Bei genbasierten Impfstoffen müssen menschliche Körperzellen hingegen ein Antigen selbst herstellen, nachdem die entsprechende Erbinformation des Erregers verabreicht wurde. Verschiedene Verfahren genbasierter Impfstoffe sind Vektorviren-, RNA- und DNA-Impfstoffe.
Bei Vektorviren-Impfstoffen wird im Labor ein Gen, d.h. Teile der Erbinformation des betreffenden Erregers, in ein harmloses Virus gegeben. Dieses dringt dann in menschliche Zellen ein und vermehrt sich dort, aber es macht nicht krank. Die befallenen Zellen produzieren daraufhin eine Zeit lang auf Basis des Gens das Erregerantigen, was zur Immunreaktion bei der/dem Geimpften führt. Das Erbgut der befallenen menschlichen Zellen, die DNA, wird dabei nicht verändert. Derzeit verfügbar und zugelassen sind Vektorviren-Impfstoffe gegen Ebola und Dengue-Fieber. Es wird auch an Impfungen gegen SARS-CoV-2 mit diesem Verfahren geforscht.
Das zweite Verfahren von genbasierten Impfstoffen ist die sogenannte mRNA-Technologie (messenger Ribonukleinsäure). Die mRNA-Technologie ermöglicht die schnelle und vergleichsweise kostengünstige Möglichkeit der Herstellung großer Mengen von Impfdosen. Mit diesem Verfahren arbeitet zum Beispiel die Firma Biontech aus Mainz, die in Kooperation mit dem Pharmakonzern Pfizer aus den USA als erstes Unternehmen Phase-III-Studien für einen Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus abgeschlossen und die Zulassung für das Medikament in den USA und in Europa beantragt hat. Die mRNA ist ein kurzes Segment des genetischen Materials des Virus. Das ist im Falle des Corona-Impfstoffs ein kleiner Teil der Erbinformation von SARS-CoV-2. Dieser enthält den Bauplan eines Viruseiweißes, hier des sogenannten Spike-Proteins der Virusaußenhülle. Nach Injektion der mRNA nutzt der menschliche Körper die mRNA als Vorlage, um die Virusproteine selbst zu produzieren. Weil aber nur ein bestimmter Bestandteil des Virus gebildet wird, ist ausgeschlossen, dass auf diesem Weg komplette vermehrungsfähige Viren entstehen. Zum Ausbilden eines möglichst hohen Impfschutzes sind in der Regel zwei Injektionen erforderlich.
DNA-Impfstoffe ähneln den mRNA-Impfstoffen, enthalten jedoch das betreffende Erregergen in Form der Erbsubstanz DNA. Bislang gibt es noch keine zugelassenen DNA-Impfstoffe, doch auch mit dieser Technologie laufen zurzeit Entwicklungen für Impfungen gegen das SARS-CoV-2-Virus.
Für Menschen mit Psoriasis geeignet?
Menschen mit einer mittelschweren bis schweren chronischen immun-vermittelten Erkrankung wie Psoriasis oder Psoriasis-Arthritis erhalten meist innerliche (systemische) Arzneimittel zur Behandlung. Diese therapeutischen Ansätze zur Besserung der Psoriasis haben einen dämpfenden Einfluss auf Teile des körpereigenen Immunsystems, das bei der Psoriasis an bestimmten Stellen überaktiv ist. In Abhängigkeit vom eingesetzten Arzneimittel kann das Risiko steigen, neben der behandlungsbedürftigen Erkrankung weitere Krankheiten zu entwickeln. Häufig kommen beispielsweise Erkältungsinfekte vor. Um dies zu vermeiden, gelten für Menschen unter einer Therapie mit Arzneimitteln, die in die Immunität eingreifen (Immunmodulation), nicht nur besondere Vorsichtsmaßnahmen im Alltag, sondern auch die generelle Empfehlung, sich impfen zu lassen.
Dabei stellen Totimpfstoffe unter Einsatz von systemischen Psoriasis-Therapeutika kein Problem dar. Sie können jederzeit eingesetzt werden. Bei einer Impfung mit Lebendimpfstoffen sollte die Psoriasis-Therapie je nach Medikament vorher für eine gewisse Zeit abgesetzt werden. Auf jeden Fall sollte bei Notwendigkeit einer Impfung mit Lebendimpfstoffen im Vorfeld mit der Dermatologin bzw. dem Dermatologen und der Impfärztin bzw. dem Impfarzt gesprochen werden. Das PSO Magazin hat bei den Firmen Biontech und Pfizer angefragt, ob eine Impfung mit dem mRNA-Impfstoff für Menschen mit Psoriasis geeignet ist, die eine innerliche (systemische) Behandlung erhalten. Beide Unternehmen können zurzeit zu dieser Frage keine Antwort geben.
Prof. Dr. Michael Sticherling, Dermatologe, stellvertretender Klinikdirektor und leitender Oberarzt an der Hautklinik des Universitätsklinikums Erlangen, und Prof. Dr. Christian Bogdan, Mikrobiologe der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO), geben zusammen die Einschätzung ab, dass die mRNA-Impfstoffe hinsichtlich ihrer Anwendung bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen und einer Behandlung mit Immunsuppressiva/Immunmodulatoren prinzipiell wie andere Totimpfstoffe zu werten sind. Immunisierungen sollten vor Einleitung einer medikamentösen Immunsuppression erfolgen. Eine dringend nötige Immunsuppression/Immunmodulation kann wegen einer Impfung nicht immer aufgeschoben oder unterbrochen werden. In diesem Fall sind Totimpfungen zwar ungefährlich, die Schutzwirkung ist dann aber unsicher. Sie muss gegebenenfalls in Kauf genommen werden.
PSO Magazin 1/21