Kortikosteroide – fester Bestandteil der Psoriasis-Behandlung
„Muss es unbedingt Kortison sein?“ Immer noch stößt „das Kortison“ bei vielen Patientinnen und Patienten auf Skepsis. Dabei hat sich dieses Medikament seit seiner Einführung in den 1950er Jahren regelrecht zu einer Wunderwaffe in der modernen Medizin entwickelt. Seine Darreichungsformen sind vielfältig. Es kann nicht nur eingerieben, sondern auch geschluckt, gespritzt, gesprüht, getropft oder inhaliert werden. Seine Einsatzbereiche sind ebenfalls zahlreich. So wird es bei Hauterkrankungen, rheumatischen Erkrankungen, Asthma, Nierenkrankheiten, Gefäß-, Blut-, Darm- und Lebererkrankungen, Nervenkrankheiten, Schockzuständen und bei Organverpflanzungen verwendet.
Kortison heißt eigentlich Kortikosteroid
Doch „Kortison“ ist eigentlich gar nicht die korrekte Bezeichnung. In der Wissenschaft wird damit die hormonell inaktive Vorstufe des eigentlichen Hormons Kortisol benannt. Sprechen Mediziner und Wissenschaftler vom künstlich hergestellten Medikament, nennen sie die Wirkstoffgruppe Kortikosteroide oder auch nur Steroide. Es kommt auch vor, dass sie von Glukokortikoiden oder Glukokortikosteroiden sprechen. Die Namensteile leiten sich wie folgt her:
„Korti“ weist auf die Herkunft der natürlichen Glukokortikoide hin. Sie werden in der Nebennierenrinde gebildet. Die heißt Lateinisch Cortex glandulae suprarenalis. Das ist der Grund, warum hin und wieder (besonders früher) anstatt „Korti“ auch „Corti“ verwendet wurde. Der Namensteil „Gluko“ wird von der Wirkung dieser Wirkstoffgruppe abgeleitet. Sie beeinflusst nämlich unter anderem den Glukosestoffwechsel. Und weil die Wirkstoffgruppe zu den Steroidhormonen gehört, kann das auch noch Teil des Namens sein. Im weiteren Verlauf wird im Artikel die Bezeichnung Kortikosteroid verwendet.
Schlechtes Image
Das schlechte Image dieser Wirkstoffgruppe lässt sich erklären. Die ersten dieser synthetisch hergestellten Hormone waren z. B. bei Entzündungen sehr stark wirksam, hatten aber auch eine Reihe unerwünschter Wirkungen. Bei der äußerlichen Behandlung mit Cremes oder Salben beispielsweise kam es zu Hautverdünnung (Atrophie). Das lag daran, dass Medizinerinnen und Mediziner die Kortikosteroide über einen zu langen Zeitraum einsetzten und die Nebenwirkungen bei dieser ersten Generation der Kortikosteroide auch noch wesentlich stärker waren.
Seitdem wurde an der Wirkstoffgruppe immer weiter geforscht und seine Molekülstruktur verändert. Dadurch sind immer neue Varianten von Kortikosteroiden entstanden. Mittlerweise setzen Medizinerinnen und Mediziner topische Kortikosteroide der 4. Generation ein. Diese haben ein sehr günstiges Wirkungs-Nebenwirkungs-Verhältnis (z. B. geringeres Risiko für Hautverdünnung). Das ist wichtig für Betroffene mit chronischen Hauterkrankungen, die mitunter über viele Jahre mit Kortikosteroiden behandelt werden müssen. Hier sind die modernen Substanzen der 4. Generation im Vorteil.
Gut bei Psoriasis: die antientzündliche Wirkung
Kortikosteroide wirken auf verschiedene Weise. Da wäre zunächst ihr starker antientzündlicher (antiinflammatorischer) Effekt. Bei äußerlich aufgetragenen Kortikosteroiden tritt der Wirkstoff in die oberste Schicht der Haut (Epidermis) ein. Dort bindet er an spezielle Rezeptoren. Das führt dazu, dass bestimmte Entzündungsbotenstoffe nicht mehr produziert werden. So verschwinden die typischen Entzündungsmerkmale wie Rötung, Schwellung, Hitze und Schmerz sehr schnell. Auch der Juckreiz vergeht bereits nach wenigen Anwendungen einer kortikosteroidhaltigen Creme, Salbe oder Milch/Lotion.
Als Zweites haben Kortikosteroide eine antiproliferative Wirkung. Als Proliferation wird die Vermehrung von Zellen bezeichnet. Bei der Psoriasis ist die Zellteilung von Hautzellen stark beschleunigt. Auch dagegen können Kortikosteroide wirksam eingesetzt werden. Zum Dritten beeinflussen Kortikosteroide ein überaktives Immunsystem. Das heißt, sie mäßigen überschießende Abwehrreaktionen des Körpers. Die vierte Ebene ist die antiallergische Wirkung.
In Deutschland werden Kortikosteroide zur lokalen Anwendung in vier Wirkstärkeklassen eingeteilt (siehe Kasten). Die Klassen II-IV sind verschreibungspflichtig. Cremes und Salben mit einem Klasse-I-Kortikosteroid müssen sich Patientinnen und Patienten in der Regel selbst in der Apotheke kaufen.
Ein weiterer großer Vorteil der Kortikosteroide ist, dass sie sich gut in verschiedene Grundlagen einarbeiten lassen. Deshalb kann heute auf Fettsalben, Salben, Cremes, Milch/Lotion, Lösungen, Schaum und sogar auf ein Shampoo zurückgegriffen werden. Auch Kombinationen mit anderen Wirkstoffen sind möglich. Häufig wird bei Psoriasis eine Kombination aus Calcipotriol (einem dem Vitamin D verwandten Wirkstoff) und Kortikosteroiden zur äußerlichen Anwendung verschrieben. Beide Substanzen ergänzen sich in der Wirkung und vermindern mögliche Nebenwirkungen.
Nur äußerlich angewendete Kortikosteroide für Psoriasis-Behandlung
In der S3-Leitlinie zur Behandlung der Psoriasis der Haut wird nur die äußerliche Therapie mit Kortikosteroiden empfohlen. Die Art der richtet sich nach den individuellen Besonderheiten der jeweiligen Psoriasis und nach dem Ort des Auftretens: Behaarter Kopf, Gesicht, Körper, Faltenräume/Genitalbereich oder Handflächen und Fußsohlen. Auch für empfindliche Hauttypen etwa bei Kindern oder alten Menschen kann die richtige Therapie mit Kortikosteroiden gewählt werden. In der Schwangerschaft und Stillzeit sind topische Kortikosteroide manchmal sogar die einzige Therapiemöglichkeit bei Psoriasis, weil viele andere äußerliche und innerliche Medikamente vor allem bei Schwangeren nicht angewendet werden dürfen.
Natürlich hat auch die Therapie mit Kortikosteroiden seine Grenzen. Als Faustregel gilt: Sind die Schuppenflechtenherde über mehr als zehn Prozent der Körperoberfläche ausgebreitet sollte anstelle einer äußerlichen Therapie eine Lichttherapie oder eine innerliche Behandlung erfolgen. (Größenordnung: zehn Mal die gesamte Handfläche der Patientin/des Patienten von den Fingerspitzen bis zum Handgelenk).
Wichtig nach einer längerfristigen Therapie mit Kortikosteroiden ist, dass sie nicht abrupt beendet wird. Sonst entsteht die Gefahr einer erneuten, raschen Verschlechterung der Haut. Das wird in der Fachsprache Rebound-Phänomen genannt. Die Dosis sollte stattdessen langsam reduziert werden. Beispielsweise kann die Wirkstärke langsam herabgesetzt werden. Auch das Intervall der Gabe (z. B. jeden 2. oder 3. Tag) lässt sich immer weiter verlängern. Dieses so genannte Ausschleichen vermindert die Gefahr einer raschen Verschlechterung nach Absetzen.