Psoriasis und COVID-19: zehn Fragen - zehn Antworten

Die Psoriasis-Experten Prof. Dr. Matthias Augustin und Dr. Ralph von Kiedrowski beantworten die zehn häufigsten Fragen zum Thema "Psoriasis und Corona".

Dr. Ralph von Kiedrowski (links) und Prof. Dr. Matthias Augustin (rechts)

1. Gehöre ich als Patientin bzw. Patient mit Psoriasis oder Psoriasis-Arthritis zur Risikogruppe?

Nein. Bei der Psoriasis handelt es sich, grob vereinfacht gesagt, um eine überschießende Immunreaktion. Das heißt, das Immunsystem arbeitet sowieso gerade mehr als nötig. Menschen mit Psoriasis haben also keine Immunschwäche, die sie besonders empfänglich machen würde für Infektionen z.B. durch Viren allgemein oder den aktuellen COVID-19-Erreger SARS-CoV-2. Im Umkehrschluss heißt das aber auch nicht, dass Patientinnen und Patienten mit Psoriasis besonders geschützt sind. Es bedeutet zum jetzigen Stand der Forschung lediglich, dass Menschen mit Psoriasis nicht grundsätzlich zur Risikogruppe gehören. Sie könnten dann zur Risikogruppe gehören, wenn sie zusätzlich eine bestimmte Begleiterkrankung haben (siehe Frage 4).

2. Gehöre ich zur Risikogruppe, wenn ich mit einem Biologikum behandelt werde?

Nein. Biologika regulieren sehr gezielt die überschießende Immunreaktion. Sie unterbrechen an sehr genau definierten Stellen den Kommunikationsweg, den man als Botschaft "Gefahr im Bereich der Haut" beschreiben könnte. Botenstoffe geben diese Information an andere Zellen weiter, indem sie Funktionen aktivieren oder bremsen. Der Weg führt über dendritische Zellen hin zu TH-17-Zellen und den Keratinozyten. Am Ende der Reaktionskette steht die Entzündung der Haut. Biologika können jeweils einen bestimmten Botenstoff (Zytokin), der die Information "Gefahr im Bereich der Haut" an eine nächste Zelle weiterleitet, stoppen. Diese Botenstoffe heißen z.B. Tumornekrosefaktor(TNF)-alpha, Interleukin(IL)-17 oder Interleukin(IL)-23. Antikörper gegen diese Zytokine nennt man TNF-alpha-, IL-17- oder IL-23-Blocker. Es gibt auch einen IL-12/IL-23-Blocker sowie einen Rezeptor-Blocker. Sie alle sorgen für eine zielgenaue Modulation (Veränderung) und nicht für eine allgemeine Suppression (Unterdrückung) des Immunsystems. Der Rat von Expertinnen und Experten ist, eine Biologika-Therapie nicht wegen der Corona-Pandemie abzusetzen. Es gilt: Wer stabil eingestellt ist, sollte bei seinem Biologikum bleiben. Fachleute raten, bei Patientinnen und Patienten, die einen TNF-alpha-Blocker erhalten, etwas intensiver hinzuschauen. Bei ihnen könnte das Infektionsrisiko leicht erhöht sein. Das folgern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Ergebnissen verschiedener Registerstudien (z.B. BADBIR), die zeigen, dass sich für Menschen unter der Therapie von TNF-alpha-Blockern, insbesondere Infliximab, ein leicht erhöhtes Risiko, an einer schweren Infektion zu erkranken, ergibt. Allerdings werten die Fachleute die Ergebnisse aus dieser Studie als keinen Grund, TNF-alpha-Blocker wegen Corona grundsätzlich abzusetzen. Aus dieser Studie ergibt sich lediglich der Hinweis für Medizinerinnen und Mediziner, bei Patientinnen und Patienten, die mit einem TNF-alpha-Blocker behandelt werden, individuelle Risikofaktoren für Infektionen genauer zu beachten und nötigenfalls in die Therapieentscheidung mit einzubeziehen. Und bei TNF-alpha-Blockern sollten die Patientinnen und Patienten wissen und beachten, dass eine Fieber-Reaktion in der Frühphase einer Infektion ausbleiben kann (siehe Frage 8).

3. Was ist, wenn ich keine Biologika, aber andere innerlich wirkende Medikamente bekomme? Dazu gehören die Wirkstoffe Methotrexat (MTX), Fumarsäureester, Apremilast, Ciclosporin, Acitretin und Januskinase(JAK)-Inhibitoren.

Sie funktionieren alle im Prinzip auch immunmodulierend. Sie setzen aber nicht an verschiedenen Zytokinen, sondern am immunkompetenten Lymphozyten an und regulieren so die Immunantwort. Für Methotrexat (MTX), Fumarsäureester, Acitretin und Apremilast gilt generell dasselbe wie für Biologika: Es gibt kein erkennbar erhöhtes Risiko, an COVID-19 zu erkranken, und auch keines, bei einer COVID-19-Erkrankung einen schwereren Verlauf zu erleiden als für Personen, die solche Medikamente nicht einnehmen. Deshalb gilt auch für diese Medikamente die Aussage: Wer mit solchen Medikamenten behandelt wird, gehört wegen dieser Therapie nicht zur Risikogruppe. Auch hier gilt: Die Therapie sollte nicht wegen der Corona-Pandemie abgesetzt werden. Bei Ciclosporin ist die Datenlage uneinheitlich. Deshalb empfehlen Expertinnen und Experten, hier ebenfalls auf die individuellen Risikofaktoren der Patientinnen und Patienten zu schauen (siehe Frage 2). Berichte aus stark von COVID-19-betroffenen Regionen in Norditalien haben aber keine besonderen Warnsignale bei Patientinnen und Patienten unter Ciclosporin-Gabe ergeben. Die Datenlage für die Januskinase(JAK)-Inhibition ist noch sehr spärlich, grundsätzlich gilt auch hier der Rat der Fachgesellschaften zur erhöhten Wachsamkeit, aber auch zur Fortführung einer bereits laufenden Therapie.

4. Wer gehört zur Risikogruppe?

Laut Robert Koch-Institut (RKI) haben folgende Personengruppen ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe bei einer COVID-19-Erkrankung:

  • ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren)
  • Raucherinnen und Raucher
  • Personen mit bestimmten Vorerkrankungen, dazu gehören:
    • Herzerkrankungen (z.B. koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck)
    • Lungenerkrankungen (z.B. Asthma bronchiale, chronische Bronchitis)
    • Lebererkrankungen (chronische Lebererkrankungen)
    • Diabetes mellitus
    • Krebserkrankungen
  • Patientinnen und Patienten mit einem geschwächten Immunsystem (z.B. innerliche Kortison-Dosen von mehr als 5 mg/Tag)

5. Wer hat ein geschwächtes Immunsystem?

Dazu gehören Menschen mit einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht. Wie aus der Antwort zu Frage 1 deutlich wird, gehören Psoriasis bzw. Psoriasis-Arthritis nicht zu diesen Erkrankungen, denn sie gehen eher mit einer immunüberschießenden Reaktion einher. Auch zählen Menschen dazu, deren Immunabwehr durch die Einnahme von bestimmten Medikamenten geschwächt ist. Wie aus den Antworten zu Frage 2 und Frage 3 deutlich wird, zählen die Therapeutika für Psoriasis nicht zu diesen Medikamenten. Neben verschiedenen Krebs-Medikamenten zählen aber beispielsweise innerlich (systemisch) angewendete Kortikosteroide (umgangssprachlich: Kortison) dazu (siehe Frage 4). Diese werden von Rheumatologinnen und Rheumatologen zum Teil auch zur Behandlung von Psoriasis-Arthritis verschrieben. Wer mit einem innerlichen Kortikosteroid behandelt wird, sollte deshalb mit der behandelnden Rheumatologin bzw. dem behandelnden Rheumatologen sprechen.

6. Kann ich jetzt - in Corona-Zeiten - neu mit einer Biologika-Therapie beginnen?

Ja. Die Entscheidung, mit einer Biologika-Therapie zu beginnen, hat grundsätzlich nichts mit der Corona-Pandemie zu tun, sondern sie richtet sich ausschließlich nach den medizinischen Erfordernissen zur Behandlung der Psoriasis bzw. Psoriasis-Arthritis. Einschränkungen bestehen nur dann, wenn man Risikomerkmale aufweist.

7. Soll ich mit der Psoriasis-Therapie pausieren, wenn ich an COVID-19 erkranke?

In diesem Fall übernehmen Internistinnen und Internisten die Behandlung. Sie entscheiden dann im Einzelfall über den richtigen Weg. Es gilt auch hier: Niemals eigenmächtig mit der Therapie der Psoriasis bzw. Psoriasis-Arthritis aufhören!

8. Gibt es etwas bei Corona-Tests zu beachten?

Bei Patientinnen und Patienten, die mit einem TNF-alpha-Blocker behandelt werden, könnte es sein, dass sie bei einer COVID-19-Infektion keine Fieberreaktion zeigen. Deshalb sollten Ärztinnen und Ärzte, die über einen Corona-Test entscheiden sollen, über die Behandlung mit einem TNF-alpha-Blocker Bescheid wissen. Denn Fieber gehört neben Husten zu einem der häufigsten Symptome bei COVID-19. Ärztinnen und Ärzte könnten das Fehlen von Fieber fehleinschätzen und einen Corona-Test ablehnen.

9. Sind Impfungen sinnvoll?

Ja. Die saisonale Grippeimpfung und die Pneumokokkenimpfung mit Totimpfstoffen werden generell empfohlen. Die Impfung gegen Grippe sollte jedes Jahr, vorzugsweise im Oktober oder November, durchgeführt werden. Nach der Impfung dauert es etwa zehn bis 14 Tage, bis der Körper einen ausreichenden Schutz vor einer Ansteckung aufgebaut hat. Auch eine spätere Impfung zu Beginn des Jahres ist meist noch sinnvoll. Zum Erscheinungstermin dieser Ausgabe des PSO Magazins (Ende Juni / Anfang Juli) ist die Grippeimpfung deshalb noch zu früh, sie sollte aber eingeplant werden. Die Impfung gegen Pneumokokken kann jederzeit erfolgen.

10. Was kann ich selbst tun, um mich vor einer COVID-19-Infektion zu schützen?

Auf jeden Fall sollten die Hygienevorschriften und die geltenden Kontaktbeschränkungen eingehalten werden: häufiges Händewaschen, mindestens 1,5 Meter Abstand zu Personen außerhalb des eigenen Haushalts halten und außerhalb des eigenen Hauses einen Mund-Nase-Schutz tragen.

 

Die Antworten basieren auf einem gemeinsamen Online-Seminar von Prof. Dr. Matthias Augustin, Leiter des Instituts für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des DPB, sowie von Dr. Ralph von Kiedrowski, Dermatologe aus Selters und Vorstandsmitglied des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD) und der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Die beiden Psoriasis-Experten haben Informationen aus Studien berücksichtigt, die bis zum 8. Mai 2020 vorlagen.

 

PSO Magazin 4/20

 

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