PD Dr. Kurt Seikowski
Diplompsychologe, Psychologischer Psychotherapeut und Philosoph aus Leipzig
Interview mit PD Dr. Kurt Seikowski, entnommen aus PSO Magazin 2/2019
PSO Magazin: Sie kamen 1983 als junger Psychologe an die Hautklinik nach Leipzig. Haben Sie damals schon Menschen mit Psoriasis behandelt?
Dr. Seikowski: Nein. Damals hatte sich die Erkenntnis noch nicht durchgesetzt, dass Haut und Psyche häufig gemeinsam leiden. Ich war als Psychologe in der Andrologie eingesetzt. Dort werden Männer mit geschlechtsspezifischen Erkrankungen behandelt. Ich leitete den sexualtherapeutischen Part der Abteilung, habe mich aber immer schon für den hautärztlichen Teil bei dieser Arbeit interessiert und versucht zu verstehen, wo hier die psychischen Faktoren eine Rolle spielen.
PSO Magazin: Heute ist die Psychodermatologie oder auch Psychosomatische Dermatologie ein fester Begriff in der Medizin. Was genau ist das?
Dr. Seikowski: Es ist ein interdisziplinäres Fach, in dem in der Regel Psychiater, Psychologen und Dermatologen eng miteinander zusammenarbeiten.
PSO Magazin: Sie waren einer der ersten Wissenschaftler in der DDR, der auf dem Gebiet geforscht hat.
Dr. Seikowski: Das stimmt. Aber es gab auch noch Prof. Dr. Klaus-Michael Taube, der bereits in den 1980er Jahren in Halle als Dermatologe zur Psychodermatologie gearbeitet hat.
PSO Magazin: 2015 haben Sie beide gemeinsam das Lehrbuch „Einführung in die Psychodermatologie“ herausgegeben. Daran kann man erkennen, dass sich diese Disziplin inzwischen immer weiter etabliert hat. Auch die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) hat reagiert und bereits in den 80-er Jahren den „Arbeitskreis Psychosomatische Dermatologie“ (APD) eingerichtet. Dort sind Sie Mitglied im erweiterten Vorstand.
Dr. Seikowski: Das ist richtig. Es hat sich viel getan. Früher haben Dermatologinnen und Dermatologen bei einer Psoriasis psychische Probleme einfach zugeschmiert. – Ich sage das mal in meiner Sprache. – Man sollte aber belastende Lebensereignisse, die auslösende Faktoren gewesen sein könnten, offenlegen. Dadurch lässt sich der Krankheitsverlauf oftmals positiv beeinflussen. Und natürlich hilft Psychotherapie ganz allgemein bei der Krankheitsbewältigung bei chronischen Erkrankungen.
PSO Magazin: Wie gehen Sie vor?
Dr. Seikowski: Ich arbeite häufig mit einer Kombination aus Entspannungstechniken und Psychotherapie. Es gibt sehr viele Methoden, etwa Verhaltenstherapie oder Tiefenpsychologie. Ich bin in fast allen Methoden ausgebildet und entscheide ganz individuell, was für den Patienten passt.
PSO Magazin: Gibt es Erkenntnisse darüber, welche Therapiemethode für Menschen mit Psoriasis besonders geeignet ist?
Dr. Seikowski: Nein. Heute entscheiden Psychologen das nach Gefühl. Wir wechseln auch gelegentlich zwischen den Methoden. Das kann sinnvoll sein. Generell gibt es aber auch noch nicht so viele Studien, die psychologische Faktoren für den Verlauf der Psoriasis genauer untersuchen.
PSO Magazin: Gibt es denn überhaupt solche Studien?
Dr. Seikowski: Ja, die gibt es. Aber eine Studie möchte ich besonders hervorheben. Es ist eine Studie aus Kroatien. Sie belegt, dass die Stärke des Juckreizes bei Psoriasis ein Marker dafür ist, ob psychologische Faktoren für den Verlauf der Erkrankung eine große Rolle spielen, d.h. je intensiver der Juckreiz, desto höher ist der Anteil psychischer Faktoren für einen ungünstigen Verlauf der Psoriasis.
PSO Magazin: Auf welche Weise kann diese Erkenntnis helfen?
Dr. Seikowski: Für Menschen mit Psoriasis kann es hilfreich sein zu schauen, mit welchem Lebensereignis sie nicht zurecht kommen. Aber das wird kaum gemacht. Patienten sprechen immer nur über ihre Schuppenflechte und sie informieren sich überall über diese Erkrankung. Vielfach könnte es schon helfen, wenn sie einfach mal damit aufhören würden, sondern eher in sich selbst hineinschauen würden.
PSO Magazin: Wir vom PSO Magazin informieren auch über die Psoriasis. Machen wir da etwas falsch?
Dr. Seikowski: Nein, nein. Im PSO Magazin stehen sachliche Informationen. Das ist wichtig und gut. Aber viele Menschen nutzen beispielsweise das Internet als Informationsquelle. Dort stehen auch unwahrscheinlich viele unseriöse Methoden drin. Da kann man schon auf Abwege geraten, weil man nicht in der Lage ist, diese richtig einzuordnen. Sachliche Information ist enorm wichtig. Ich selbst bin Psoriasis-Trainer und habe hier in Leipzig lange Jahre bis heute als Leiter und Koordinator von Psoriasis- und Neurodermitis-Schulungen für Erwachsene, Kinder und Jugendliche gearbeitet – und weiß, wie wichtig sachliche Information ist. Und zu diesen sachlichen Informationen gehört auch der Zusammenhang zwischen Psyche und Haut.
PSO Magazin: Es wäre auch verwunderlich gewesen, jetzt zu hören, dass Sie gegen informierte Patienten wären. Schließlich haben Sie 2015 zusammen mit weiteren namhaften Experten auf dem Gebiet der Psychodermatologie ein Lesebuch herausgebracht, in dem Krankheitsgeschichten auch für Laien verständlich erzählt werden. „Die Haut und die Sprache der Seele“ heißt es.
Dr. Seikowski: Das Buch hat noch einen Untertitel: „Hautkrankheiten verstehen und heilen“. Uns als Herausgebern – das sind neben mir Prof. Klaus-Michael Taube, Prof. Uwe Gieler und Dr. Gabriele Rapp – war es wichtig, sowohl Ärztinnen und Ärzten, Psychologinnen und Psychologen als auch Patientinnen und Patienten einen Zugang zum besseren Verständnis der Zusammenhänge von Psyche und Hauterkrankung zu verschaffen.
PSO Magazin: Die Psychodermatologie ist aber nicht Ihr einziges Forschungsgebiet. Was machen Sie noch alles?
Dr. Seikowski: Ich arbeite viel im Bereich Transsexualität und Männergesundheit, habe eine eigene Sexualsprechstunde und eine Sprechsunde für psychosomatische Urologie, die sich aus der Andrologie ergeben hat.
PSO Magazin: Männergesundheit? Da hätte ich noch eine abschließende Frage: Sprechen Männer und Frauen mit Psoriasis unterschiedlich auf psychotherapeutische Therapien an?
Dr. Seikowski: Das lässt sich so nicht sagen. Was aber auf jeden Fall zu beobachten ist: Frauen sind viel schamhafter, wenn sie über Beziehungen oder Intimes erzählen sollen. Männern hingegen fällt es schwerer als Frauen, sich einem Therapeuten zu öffnen. Aber wenn sie sich geöffnet haben, kommt sehr viel Emotionales heraus.