Prof. Dr. Michael Sticherling
Dermatologe und Immunologe aus Erlangen
Interview mit Prof. Dr. Michael Sticherling, entnommen aus PSO Magazin 1/2018
PSO Magazin: Unser erstes Gespräch über Ihre Arbeit führten wir vor knapp zehn Jahren. Damals waren Sie in der Hautklinik Erlangen für den Schwerpunkt „chronisch-entzündliche Hauterkrankungen“ verantwortlich. Wie sieht es heute aus?
Professor Sticherling: Das ist immer noch mein Schwerpunkt. Neben der Psoriasis behandeln wir beispielsweise auch Neurodermitis und Hautkrankheiten bei Kollagenosen. In unserem Psoriasis-Zentrum bieten wir sowohl eine stationäre als auch eine ambulante Behandlung an. Die stationäre Aufnahme von Psoriasis-Patienten fühlt sich für mich allerdings nicht mehr ganz zeitgemäß an.
PSO Magazin: Wie meinen Sie das?
Professor Sticherling: Wir beobachten in unserer Klinik in den letzten Jahren eine stetige Zunahme von Psoriasis-Patienten, dabei sind auch Patienten mit schwerer Psoriasis. Trotz der mittlerweile guten Behandelbarkeit der Erkrankung, auch mit ambulant einsetzbaren Medikamenten, sinkt aber die Zahl stationär behandelter Personen nicht. Sie steigt sogar leicht an. Das kann an der gestiegenen Aufmerksamkeit für die Erkrankung bei Patienten wie Ärzten liegen und am besseren Wissen um die Behandelbarkeit.
PSO Magazin: Sie betreuen auch eine Studienambulanz. Was forschen Sie dort?
Professor Sticherling: Wir bieten eine Palette von klinischen Studien neuer Medikamente an, sowohl zur äußerlichen als auch innerlichen Anwendung. Viele führen dann im Verlauf zur Zulassung dieser Wirkstoffe. Daneben nehmen wir an mehreren Patientenregistern teil. Unter anderem auch zur Psoriasis. Damit wollen wir die Häufigkeit, das klinische Bild der Erkrankung, aber auch das Ansprechen und die Verträglichkeit von Medikamenten im täglichen Leben, jenseits von klinischen Studien untersuchen. Als Universitätsklinik betreiben wir aber auch Basisforschung. Wir versuchen nach wie vor, die Ursachen und die Entstehung von Schuppenflechte näher zu ergründen, um neue Therapieansätze zu finden.
PSO Magazin: Eine Besonderheit in Ihrem Psoriasis-Zentrum sind die Schulungen.
Professor Sticherling: Schulungen helfen sehr dabei, den Umgang der Patienten mit ihrer Erkrankung zu erleichtern und die Lebensqualität zu steigern. Das sollte nicht nur in Reha-Kliniken angeboten werden. Wir werden bald an verschiedenen Standorten in Deutschland eine Studie zu Psoriasis-Schulungen beginnen. Darin wollen wir untersuchen, ob und wie sich beispielsweise Schweregrad, Lebensqualität oder der Umgang mit der Erkrankung durch Schulungen verändern.
PSO Magazin: In Ihrer Arbeit als Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des DPB setzen Sie sich ebenfalls dafür ein, Patienten mit Schuppenflechte bestmöglich zu informieren.
Professor Sticherling: Das ist mir ein wichtiges Anliegen. In nur zwei Jahrzehnten ist die Bandbreite der Psoriasis-Therapien enorm gewachsen. Gerade die neue Gruppe der Biologika hat anfangs zu viel Verunsicherung geführt. Und es hat zehn bis 15 Jahre gedauert, bis unter den Patienten, aber auch den Ärzten die große Zurückhaltung zur Anwendung dieser Medikamente spürbar nachgelassen hat. Heute haben manche Patienten sogar eine sehr genaue Vorstellung davon, mit welchem Medikament sie behandelt werden wollen. Sie kommen in die Ambulanz und sagen ganz genau, welches Biologikum sie haben wollen.
PSO Magazin: Solche vermeintlich gut informierten Patienten mit einer hohen Erwartungshaltung sind sicher nicht einfach zu behandeln.
Professor Sticherling: Das stimmt. Diese Patienten haben sich meist im Internet informiert, allerdings nur bruchstückhaft und manchmal aus zweifelhaften Quellen. Es kostet Zeit, ihnen die Zusammenhänge zu erklären, auch dass eine bestimmte Therapie für sie nicht in Frage kommt, ihnen aber dann eine individuelle, bestmögliche Behandlung zuteil werden zu lassen, mit der sie auch zufrieden sind. Die Behandlungsmöglichkeiten bei Psoriasis sind vielfältig und viele Patienten brauchen gar keine Systemtherapie.
PSO Magazin: Das Internet ist also eher ein Fluch als ein Segen für die Informationsbeschaffung von Patienten.
Professor Sticherling: Nicht jeder kann die Quellen richtig einordnen, die er im Internet findet. Ganz besonders problematisch sind in meinen Augen Internet-Foren. Dort werden auf Fragen von Patienten manchmal sehr dubiose Empfehlungen gegeben, und es ist nicht zu erkennen, wer hinter den Antworten steckt.
PSO Magazin: Wie sieht es mit den Ärzten aus? Haben die Dermatologen in den vergangenen 20 Jahren ihre Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Systemtherapeutika
erhöht?
Professor Sticherling: Natürlich haben sie das, wenn auch nicht in so hohem Maße wie die Patienten. Für unsere Region hier im Frankenland kann ich sagen, dass zahlreiche Dermatologen ihre Psoriasis-Patienten für eine Systemtherapie in unsere Ambulanz überweisen. Wir stellen sie ein und dann könnten sie eigentlich von ihren Hautärzten wieder übernommen werden. Das passiert aber noch zu wenig.
PSO Magazin: Es gibt also immer noch eine Menge Aufklärungsarbeit sowohl für Patienten als auch für Mediziner zu leisten. Der DPB als Patientenvertretung und auch die regionalen Psoriasis Netzwerke, in denen es sich Fachärzte zur Aufgabe gemacht haben, die Versorgung für Psoriasis-Patienten zu verbessern, haben also noch jede Menge zu tun.
Professor Sticherling: Auf jeden Fall. Bedauerlich ist deshalb, dass sich immer weniger Patienten in der Selbsthilfe engagieren. Die Menschen setzen sich lieber an ihren Computer. Wir sehen das auch bei unseren Schulungen. Viele Menschen möchten lieber auf elektronischem als auf persönlichem Weg Informationen erhalten. Die Gruppenidee nimmt ab. Die Aufgabe der Selbsthilfe wird in Zukunft immer stärker sein, auf die veränderten Informationsgewohnheiten zu reagieren und die Menschen mit Psoriasis an Bord zu bekommen bzw. zu behalten – damit sie auch weiterhin eine gewichtige Stimme für Menschen mit Schuppenflechte bleibt.
PSO Magazin: Kann der DPB da weiterhin auf Ihre Hilfe und Ihr großes Engagement zählen?
Professor Sticherling: Mit Vergnügen.